Gründer der ARGE Erneuerbare Energie, Walter Pfister aus Thüringen

„Solarboom überraschte alle“

Unabhängigkeit ist dem Gründer der ARGE Erneuerbare Energie auch heute wichtig.

THÜRINGEN. „Der Start der Initiative im Jahr 1990, Solaranlagen im Selbstbau zu errichten, hat damals in Vorarlberg einen richtigen Solarboom ausgelöst“, erinnert sich Walter Pfister. „Bis Mitte der 90er-Jahre sind – soweit ich dazu Statistik geführt habe – ca. 1500 Solaranlagen in über 100 Selbstbaugruppen realisiert worden. Unser Verein ARGE Erneuerbare Energie Vorarlberg informierte, organisierte und betreute ehrenamtlich die zukünftigen Solaranlagenbesitzer. Es war und ist uns wichtig, dass wir mit den politischen Parteien und den Entscheidungsträgern in Kontakt sind, aber an finanzieller und ideologischer Unabhängigkeit festhalten.“ Der Solarboom überraschte alle: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. „Interessant war, dass die Politik sehr schnell reagiert hat und – ausgearbeitet vom damaligen Energiesparverein Vorarlberg, heute Energieinstitut Vorarlberg – eine finanzielle Unterstützung für den Bau von Solaranlagen einführte. Eine sehr kluge Entscheidung“, betont Pfister. „Die Wirtschaft – insbesondere Installateure – wurden von dieser Solarwelle völlig überrascht und reagierten erst einmal reserviert. Viele sahen darin eine Konkurrenz, und hinter vorgehaltener Hand lautete der Vorwurf sogar ,legalisierte Schwarzarbeit‘. Die Bevölkerung hingegen zeigte sich äußerst interessiert, und die Nutzung von Solarenergie wurde – und wird nach wie vor – sehr positiv gesehen. Rund 25 Jahre nach den Anfängen kann man sagen: Die Nutzung von Sonnenenergie über thermische Solaranlagen ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen; mittlerweile sind fast 300.000 m2 Kollektorfläche in Vorarlberg auch klimaaktiv. Weiters finden die Stromgewinnung aus Solarenergie und passive Solarenergienutzung im Hausbau ungebremste Zustimmung. Energie aus der Sonne ist mehr als warmes Wasser in der Dusche oder in der Badewanne. Hier muss der Blick erweitert und z.B. auf die Thematik der begonnenen Klimaänderung gerichtet werden. Dies muss einen Denkprozess in der gesamten Bevölkerung in Gang setzen, welcher getragen ist von der Verantwortung gegenüber dem Nächsten und den nächsten Generationen. Vor diesem Hintergrund findet jeder sein Plätzchen, wo er die Vision von Nachhaltigkeit umsetzen kann. Die politischen Parteien in Vorarlberg haben sich auf ein Energieleitbild geeinigt, bis 2050 die Energieautonomie im Ländle zu erreichen! Ein Ziel, welches von allen in Vorarlberg unterstützt und umgesetzt werden kann. Ich bin überzeugt, dass es gelingt. Auch gegen Widerstände, wie damals eben, als wir euphorisch in das Solarzeitalter aufgebrochen sind.“

Aus Überzeugung handeln „Es gilt, sich aus Überzeugung auf den Weg zu machen. Menschen verändern sich dabei selbst und erreichen dann oft auch einen Wandel bei anderen Personen“, weiß Pfister aus Erfahrung. „Alle zusammen können im günstigen Fall eine Bewegung in Gang setzen, welche über die Region hinaus Wirkung erlangt. Und dabei spielt öffentliche Anerkennung wie z.B. in Form des VN-Klimaschutzpreises eine nicht unerhebliche Rolle. Es ist überhaupt notwendig und lobenswert, dass die Medien Positivbeispiele jeglicher Art einer breiten Bevölkerung bekannt machen. Mundpropaganda reicht nicht mehr aus. Die VN mit ihren unterschiedlichen Kanälen haben die Kraft, viele Menschen zu erreichen und sie zu informieren. Dabei tragen sie Verantwortung und nehmen diese in dem Fall auch wahr. Ich möchte an der Stelle anfügen, dass Marianne Mathis als VN Redakteurin maßgeblichen Anteil an der Publizität des Themas Sonnenenergie hatte und ihr Einfluss auf die Entscheidungen der Vorarlberger Landesregierung in Energiefragen erheblich war. Ihr müsste diesbezüglich noch posthum eine Anerkennung gegeben werden.“

Modellregion Vorarlberg „Mehr oder weniger ist jedem bekannt, dass unsere Welt eigentlich ein globales Dorf geworden ist“, sagt Pfister. „Globalisierung, Internet, Klimawandel, internationale Organisationen usw. verbinden die Länder auf unserem Globus. Es kann sich kein Land aus diesem Geflecht herausnehmen und einen wirklich eigenständigen Weg gehen. Das heißt aber auch: Wir tragen alle Verantwortung. Hier gibt es keine Ausrede und keine Entschuldigung. Jeder ist Akteur und gleichzeitig Betroffener. In erster Linie besteht die Aufgabe im Zusammenleben der einzelnen Individuen – gleich welcher Gruppengröße und geografischer Lage – aufeinander Rücksicht zu nehmen. Dazu gibt es bereits genügend Steuerungsinstrumente durch Gesetze, Verträge, Religionen, Traditionen etc. Leider funktionieren diese Regelungen oft nur mangelhaft. Deshalb braucht es immer wieder neue Anstöße, welche von einzelnen Personen, Institutionen, Staaten etc. ausgehen, um Veränderungen auf lokaler, regionaler, nationaler oder sogar globaler Ebene einzuleiten. Das Ziel: Wir wollen die Welt verändern.“

Gemeinsam auf gutem Weg „Dieser hohe Anspruch ist in Vorarlberg nicht unbedingt vorrangiges Ziel. Aber es hat sich immer wieder gezeigt, dass ,best practice‘ eine Vielzahl von Nachahmern und ungeahnte Verbreitung findet“, erläutert Pfister. „Deshalb glaube ich, dass erstens Vorarlberg in der Lage ist, das selbst gesteckte Energieautonomie- Ziel 2050 zu erreichen und zu übertreffen, und zweitens ein Vorbild für andere Regionen sein kann. Dafür müssen aber eben alle in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich ihren Beitrag leisten und erkennen, dass dies unserer unmittelbaren Region, Europa und schließlich unserem Globus einen unschätzbaren Nutzen bringt. Wir sind in Vorarlberg auf dem Weg, einem akzeptablen und positiv stimmenden Weg, aber noch ist das Ziel ein großes Stück entfernt.“

Der Preis Der Vorarlberger Ökopionier Walter Pfister bekommt für ein langjähriges Engagement eine VN-Urkunde als Auszeichnung und eine Stein-Trophäe.

Jury-Begründung: Die dynamische Entwicklung der thermischen Solarenergienutzung in Vorarlberg ist ohne die Pionierarbeit von Walter Pfister nicht zu denken. Mit seinen vielen Aktivitäten zeigt er eindrücklich, was durch persönliches Engagement alles bewegt werden kann.